„Hort-Schooling“ – Mehr als nur Hausaufgabenzeit

Bild 1Der Lockdown kam und die Schule war zu. „Homeschooling“ ist nur ein Begriff, jedoch beinhaltet er so einiges. Der Halt, der sonst durch die immer gleichen Strukturen und wiederkehrenden Rhythmen in der Schule gegeben war, musste in den vergangenen Wochen von den Eltern zuhause und auch von uns in der Notbetreuung hergestellt werden. Keine leichte Aufgabe. Wir, und auch viele der damit konfrontierten Eltern, haben schnell erkannt, dass die Schule als Institution für die Kinder so viel mehr bedeutet, als nur die Lerninhalte, die dort vermittelt werden. Es fehlten die Lehrer als starke Bezugspersonen, die Freunde im Klassenzimmer, das Läuten beim Stundenwechsel und der geliebte Pausenhof, um nur einige Dinge zu nennen. Besonders die jüngeren Schüler sehnten sich oft in ihren gewohnten Alltag zurück.

In gemeinsamen Besprechungen machten wir uns unsere neue Aufgabe in der Notbetreuung bewusst und gaben von Anfang an unser Bestes, um diese Zeit für die Kinder so angenehm wie möglich zu gestalten.

 

Auf der einen Seite galt es, eine konstante Routine mit festen Abläufen zu etablieren, nach denen sich die Kinder richten und auf die sie sich verlassen konnten. Deshalb starteten wir immer pünktlich um 9 Uhr mit der gemeinsamen Brotzeit. Dabei ging es nicht nur um das Essen, sondern auch um ein morgendliches Ritual, bei dem wir zusammenkamen, bevor wir um ca. 9.20 Uhr mit den Schularbeiten begannen. Die bekannten festen Hausaufgabengruppen, wie es sie vorher gab, waren ebenfalls passé und mussten neu geformt werden. Das mag für manch Erwachsenen banal klingen, jedoch bedeutet es für viele Kinder ein ganz neues Gefühl, in einer neuen Lernumgebung zu sein, an einem anderen Platz, neben einem anderen Kind und viele Kinder können sich nicht ohne Probleme sofort umstellen. Ähnlich wie unsere Schüler, mussten wir uns auch auf die Systeme der einzelnen Lehrer*innen einstellen und uns mit den unterschiedlichen Tagesplänen auseinandersetzen. Jeder Lehrer hatte seine eigene Art, die Aufgaben und Hilfestellungen zu formatieren, formulieren, einzuteilen und aufzuschreiben. Die Kinder haben schnell verstanden, dass wir gemeinsam mit ihnen das Beste aus der Situation machen wollen und waren in jeglicher Hinsicht ebenfalls gewillt und geduldig mit uns.

So wurden aus uns Erziehern im Hort so etwas wie „Ersatzlehrer“ oder „Zusatzlehrer“. Das bedeutete, ein neues Gefühl dafür zu entwickeln, was die Kinder zum Lernen neuer Inhalte brauchen. Die eigentliche Rolle in der Hausaufgabenbetreuung war sonst natürlich auch die Unterstützung bei Schwierigkeiten und die Wiederholung von manchen Inhalten, aber nun auch das Vermitteln von ganz neuen Dingen, das normalerweise die Lehrer*innen übernehmen. Gerade bei unseren Erstklässlern, die noch mit ganz essentiellen Dingen wie den restlichen Buchstaben des Alphabets oder den Zahlen innerhalb des 20er-Raumes beschäftigt waren, war es wichtig, sich auf die spielerische Ebene einzustellen, die fortlaufenden Rhythmen der Klassenlehrer*innen mitzutragen und ihnen Zeit zu geben für das Aufnehmen und Vertiefen der für sie ganz neuen Zahlen- und Buchstabenwelt.
Die Schüler der höheren Klassen taten sich größtenteils leichter mit der Umstellung, jedoch wirkten zum Beispiel bei den Viertklässlern ganz andere Sorgen mit. Wie starte ich in die neue Schule? Was kommt auf mich zu? Habe ich alles Wichtige gelernt oder fehlt mir etwas? Wir haben versucht, diese Ängste und Sorgen mit den Kindern zu besprechen und sie zu ermutigen.

An manchen Tagen waren wir nach einer „Hortschooling“-Schicht am Vormittag und einer „Hausaufgaben“-Schicht am Nachmittag ganz schön erschöpft. Auch fühlten wir uns oft selbst betroffen, wenn nicht alle Aufgaben geschafft wurden. Trotzdem werden mir alle Erzieher, die diese Zeit mit den Schulkindern erlebt haben, zustimmen, wenn ich sage, dass es auch eine besondere Art der Beziehungsarbeit war. Noch intensiver und individueller durften wir unsere Robben, Füchse und Adler kennenlernen und mit ihnen zusammenwachsen.

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