Auf der „Karriereleiter“ vom „Sternschnuppenkind“ zum „Mondkind“
Sie dachten immer, die erste Stufe der Karriereleiter erst nach der Schulzeit zu begehen? Falsch gedacht! Schon sehr viel früher machen sich die Kinder heute auf den Weg zur Karriereleiter. Bereits unsere jüngsten Kinder verknüpfen mit dem Wechsel von der Krippe oder von Zuhause in den Kindergarten einen „Aufstieg“, weil sie nun große Kindergartenkinder sind und sich nun nach und nach von den „Begleitern eines Kleinkinds“, wie z. B. dem Schnuller, der Windel o.ä., verabschieden
Erste Stufe der Karriereleiter: „Sternschnuppenkind“ – Anlauf nehmen!
Im Kindergarten angekommen „rutschen sie in der Hierarchie wieder nach unten“, weil sie erneut die Jüngsten in der Gruppe sind, unsere „Sternschnuppen“. Die Auseinandersetzung mit diesem Prozess beschäftigt die Kinder in dieser Zeit enorm, weil sie die ambivalente Erfahrung machen, dass „groß“ sein relativ ist und neben allen Annehmlichkeiten, die sie nun in der Gruppe genießen (die älteren Kinder helfen den jüngeren Kindern; die einstigen Krippenkinder sind stolz, nun Kindergartenkinder zu sein…) auch erneut zum Tragen kommt, dass sie innerhalb des Gruppensystems wieder die Kleinsten sind und noch nicht alle Vorrechte genießen können wie die Gruppenältesten (Mondkindprojekt, Plapperstunde etc.), aber dennoch andere Anforderungen an sie gestellt werden wie in der Krippe oder im Elternhaus. Im Übrigen auch eine Entwicklungsphase, die uns als Erziehern und Ihnen als Eltern einiges abverlangt, weil das Gefühlsspektrum unserer Dreijährigen sehr breit ist und zwischen Stolz, nun „groß“ zu sein und Überforderung schwankt. Ein Wechsel zwischen Fortschritten und Rückschritten in der Entwicklung ist möglich. Der Wunsch, Dinge selbst zu machen (beim Anziehen, Essen usw.) nimmt zu. Unterstützen wir unsere Kinder in dem Streben nach Selbstständigkeit und lassen wir diese kleinen Verrichtungen zu, auch wenn sie in unseren Augen nicht immer optimal in der Ausführung sind ;-))). Es ist für die Kinder eine enorme Herausforderung, den Alltag in der Kita zu meistern, sich neuen Anforderungen zu stellen und sie sind oft in der Schwebe zwischen dem Bedürfnis nach Nähe und Distanz. Ein sechsjähriger Junge beschrieb das einmal so: „Als ich in den Kindergarten kam, wollte ich wieder in die Krippe, weil es leichter war, aber jetzt bin ich froh, Mondkind zu sein.“
Zweite Stufe der Karriereleiter: „Sonnenkind“- Spurt hinlegen
Das zweite Kindergartenjahr als Sonnenkind sieht dann oft ganz anders aus. Die mittlerweile vier- und fünfjährigen Kinder haben nun ein Bewusstsein für Selbstwirksamkeit und Kompetenz entwickelt, kennen die täglichen Abläufe, wiederkehrende Strukturen und Rituale in- und auswendig, was ihr Vertrauen in sich selbst stärkt und sie zu neuen Taten beflügelt, die sich im günstigsten Fall dahingehend auswirken, dass sie sich rege bei der Übernahme von Diensten und Zuständigkeiten beteiligen, vielfältige Angebote nutzen und eigene Vorlieben und Talente entdecken (es beginnt die Zeit von gegenseitigen Besuchen unter Kindern und auch der Wunsch nach Hobbies wie Fußball, Ballett etc.).
Möglich sind ebenso Phasen, in denen sich die Kinder ausprobieren, Grenzen ausloten, „kreative Verhaltensmuster“ entwickeln, Quatschhandlungen vollziehen, „etwas anstellen“ o.ä.. Unsere „Sonnenkinder“ sind tatsächlich und erleben sich auch als „mittlere Kinder“, zwischen klein und groß. Keine einfache Rolle, denn das Streben, nun endlich auch ein großes „Mondkind“ zu werden bedeutet, Anspruch an sich selbst zu haben, Ehrgeiz zu entwickeln und mit Rückschlägen klar zu kommen. Und das in einer Zeit, in der die Rollen in der Gruppe verteilt werden und jeder seinen Platz einnehmen soll…Für uns als Erwachsene der klare Auftrag, mit offenen Augen und Ohren, aber auch mit vollem Herzen an den „Sonnenkindern“ dranzubleiben!
Dritte Stufe der Karriereleiter; „Mondkind“ – (Fast) geschafft!
Im letzten Jahr vor der Einschulung sind unsere Ältesten im Kindergarten enorm stolz, nun endlich ein „Mondkind“ zu sein, groß zu sein, sich auszukennen, Privilegien genießen zu dürfen (z. B. Mondkindecke, Mondkindprojekte, erweiterte Außenbereiche nutzen zu dürfen…). Sie sind nun stark und kompetent genug, um Patenschaften für kleinere Kinder am Beginn des Kindergartenjahres zu übernehmen, diese Kinder im Alltag zu begleiten, ihnen den Kindergarten zu erklären uvm. Sie freuen sich auf die Schule, doch beschleicht manche auch das mulmige Gefühl, bald Abschied nehmen zu müssen vom Kindergarten und die Unsicherheit, was in der Schule auf sie zukommen wird – vergleichbar mit einem Arbeitsstellenwechsel bei uns Erwachsenen. Sie profitieren davon, nun in allen Bereichen vor neue Herausforderungen, Techniken, Angebote usw. gestellt zu werden, saugen Informationen auf wie ein Schwamm, wollen wachsen, sowohl äußerlich wie auch innerlich. Sie entwickeln Haltungen und Standpunkte, forschen und philosophieren gerne und brauchen mehr denn je Nähe, Begleitung und Führung durch Erwachsene, die Freiräume zulassen können, aber auch Sicherheit vermitteln und ausstrahlen. Es tauchen Fragen auf über „Gott und die Welt“ – im übertragenen, aber auch wahrsten Sinn des Wortes. Am Ende der Kindergartenkarriere geben sie Vertrautes und Liebgewonnenes auf, müssen Abschied nehmen, freuen sich auf das Neue und sind dennoch innerlich zerrissen, weil Unsicherheiten aufkommen können und tatsächlich etwas zu Ende geht und mit dem Schulanfang etwas Neues beginnt. Bewahren wir unsere neugierigen, kleinen Wesen vor Aussagen wie „Jetzt beginnt der Ernst des Lebens“ oder „Warte nur, bis du erst in die Schule gehst…“, die überkommen sind und Angst einflößen. Vergessen wir nicht, dass das Leben von Geburt an zwischen heiter, unbefangen, lustig, glücklich, aber auch ernst, traurig, belastet, sorgenvoll schwanken kann und der „Ernst des Lebens“ nicht erst mit Schuleintritt beginnt. Schenken wir den Kindern Mut, Zuversicht und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und stärken sie so, ihre Karriereleiter auch im weiteren Verlauf ihres Lebens Stufe für Stufe und in individuellem Tempo hochzusteigen.